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Zum "Kulturkapitel" des Regierungsprogramms

Schon im ersten Absatz schwankt das Bekenntnis zur öffentlichen Förderung von Kunst und Kultur hin zur Unterstützung privater Stiftungen und Vereine. Dabei ist im Kunstförderungsgesetz klar die Aufgabe des Bundes definiert: Das künstlerische Schaffen und seine Vermittlung zu fördern. Gefördert werden können nur vom Bund verschiedene Rechtspersonen (Einzelpersonen, Künstlergruppen, Vereine, Stiftungen - egal). Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Die Zieldefinitionen des Regierungsprogramms geben zu denken:
1. Schaffung klarer und einheitlicher strategischer Schwerpunkte für das Kulturland Österreich
in enger Abstimmung mit den beteiligten Gruppen

Wie geht das mit der Freiheit der Kunst zusammen? Wenn ein Schwerpunkt festgelegt ist, was heißt das für die Kunstproduktion außerhalb des Schwerpunktes? Da werden Steuerungsphantasien deutlich, die mit der Kunstfreiheit in Wirklichkeit unvereinbar sind.

Foto: Glasobjekte von Eva Moosbrugger

2. Förderung österreichischer Kunst und Kultur mit besserer Planbarkeit und klarer Ergebnisorientierung – weg vom Gießkannenprinzip
Planbarkeit für wen? Für den Fördergeber? Denn Planbarkeit für die Fördernehmer/innen ist leicht zu erreichen: Klare fristen für Einreichung und Zu- bzw. Absage, klare Regelungen (auch terminliche) für die Auszahlung und Abrechnung. Mehrjährige Förderverträge, wo es sinnvoll erscheint. Was heißt Ergebnisorientierung? Dass ein Film produziert wird, wenn für ein Filmprojekt eingereicht wurde? Solche Selbstverständlichkeiten müssen nicht festgelegt werden, kann es also um ein festzulegendes inhaltliches Ergebnis gehen? Von wem wird das festgelegt? Betreffend Transparenz der Förderungen: Die Kulturförderungen von Bund und Ländern sind transparenter als jeder andere Förderbereich. In den Kultur- und Kunstberichten kann ein Reisekostenzuschuss an eine namentlich genannte Person von 42,20 nachgelesen werden, meistens ausreichend zeitnah. Hingegen gibt es in anderen Bereichen (z.B. Wirtschaftsförderung) eine Menge Nachholbedarf. Erstaunlich, dass mit einem solchen Passus die Unkenntnis der Situation so deutlich gezeigt wird.

3. Einfache Strukturen, klare Kompetenzen und weniger Bürokratie für die Kultureinrichtungen
des Bundes

Haben die Ersteller des Regierungsprogramms die einschlägigen Gesetze gelesen? Bundestheater und Bundesmuseen haben je eigene Rechtspersönlichkeit als GmbHs und Körperschaften öffentlichen Rechts mit ihrem jeweiligen kulturpolitischen Auftrag und den vereinbarten Basisabgeltungen. Es gelten die allgemeinen Rechtsvorschriften (z.B. die kaufmännische Sorgfalt) und klare Verantwortlichkeiten. Das ICG-Weißbuch für die Bundesmuseen greift vor allem eine Problemlage auf: Dass einzelne Museen (v.a. die Albertina und zeitweise die Österreichische Galerie Belvedere) ihre eigentliche, definierte Aufgabe vernachlässigt haben und mit Blockbuster-Ausstellungen dem Magnet „Kunsthistorisches Museum“ nacheiferten.

4. Das Gedenkjahr 2018 als gemeinsames Projekt für das ganze Land etablieren
Wir sind gespannt!

5. Kinder und Jugendliche für Kunst und Kultur begeistern
Ja, das versuchen viele, und es gelingt auch einigen.
Der Maßnahmenkatalog lässt zentralistische Steuerungsgelüste erkennen: Wir wollen uns gemeinsam auf klare Leitbilder für die Weiterentwicklung unserer Kunst- und Kulturlandschaft verständigen.
Geht es da um inhaltliche Leitbilder? Also um eine Art "Leitkultur"? Oder um strukturelle Steuerung? Doch die wird hier beschrieben:
Schaffung einer Kunst- und Kulturstrategie, übergreifend über alle Gebietskörperschaften und
alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung unter enger Einbindung aller Gruppen [...] Bessere Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, klare Kompetenz- und Aufgabenteilung sowie strategische Kohärenz sicherstellen; Doppelgleisigkeiten vermeiden.

Die Aufgaben und Zuständigkeiten sind gesetzlich klar geregelt, zunächst einmal in den Kompetenz­artikeln der Bundesverfassung, wo dem Bund die Zuständigkeit für die Bundesmuseen und Bundestheater zugeordnet sind und alle anderen Aufgaben, z.B. jene der Kulturförderung den Ländern vorbehalten ist. Die Gemeinden fördern im eigenen Interesse Kunst und Kultur, haben aber keine Verpflichtung dazu. Der Bund hat sich über seine Aufgabe als Erhalter der Bundeseinrichtungen hinaus 1988 selbst dazu verpflichtet, das künstlerische Schaffen und seine Vermittlung zu fördern und die dafür notwendigen Mittel bereit zu stellen. Das ändert nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder. Wenn der Bund alle „eng einbinden“ will in eine Bundesstrategie, wird es wohl intensive Reibungsflächen geben.

Mit einem regelmäßigen Kultur-Dialog: Austausch von Kulturschaffenden und deren Interessenvertretungen mit Ministerien- und Ländervertretern wird eine Idee des vormaligen SPÖ-Kunststaatssekretärs Wittmann wieder belebt. Viel mehr als eine Gesprächsbasis zu pflegen und dann und wann Dampf abzulassen, hat der Dialog damals nicht bewirkt. Die eigentliche Arbeit geschah in der Gruppe (u.a. mit Gerhard Ruiss), die das damalige Kulturweißbuch erarbeitete.
Schön, dass die Kultur im Rahmen der EU-Präsidentschaft eine Rolle spielen soll, das war schon immer so. Interessant wäre es, die Rolle ohne Scheuklappen zu überlegen.

Den Denkmalschutz zu verbessern steht durchaus an: Erhaltung des baulichen Erbes im Eigentum der Republik und Schutz des UNESCO-Weltkulturerbes in Österreich [...] gleichzeitig richtige Rahmenbedingungen für innovative Neubauten schaffen. Ob dafür eine Eingriffsmöglichkeit des Bundes in die Bau- bzw. Raumordnung notwendig ist, darf hinterfragt werden. Auch da schimmern Allmachtsphantasien durch, denn Raumordnung ist klar Ländersache – neben der Kulturförderung eine der zentralen Befugnisse der Länder. Sonst ist der Regierung die Einhaltung völkerrechtsverbindlicher Staatsverträge  auch nicht so wichtig, man denke an die Genfer Flüchtlingskonvention.

Das Vorhaben der Entbürokratisierung der Vorschriften des Denkmalschutzes für private Bauherren und Beseitigung von Rechtsunsicherheiten, um Eigentümer von Bausubstanz, die als schützenswert gilt, auch serviceorientiert bei ihrer Aufgabe zu unterstützen ist grundsätzlich berechtigt. Tatsächlich besteht hier eine Schwierigkeit: Die Auflagen des Denkmalamtes sind oft sehr teuer, Mehrkosten werden nur zu einem Bruchteil an private Eigentümer refundiert. Es ist deshalb nicht unbedingt vorteilhaft, ein denkmalgeschütztes Objekt zu besitzen, weshalb sich wehrt, wer kann, wenn ein Objekt unter Denkmalschutz gestellt werden soll.

Eine Bundeseinrichtung zum zentralen Ankauf von wichtigen Kunst- und Kulturobjekten klingt interessant, auch wenn dies grundsätzlich durch die Bundesmuseen, die ja wissenschaftliche Einrichtungen sind geschehen sollte – und mit der notwendigen finanziellen Ausstattung auch möglich wäre.

Als besonderes Anliegen darf die Förderung österreichischer Kunst und Kultur mit besserer Planbarkeit und klarer Ergebnisorientierung gelten, deshalb Österreich-Quote im ORF. Diese uralt-Forderung wurde von der letzten schwarz-blauen Regierung auch schon nicht umgesetzt. Im Film- und Doku-Bereich gibt es Instrumente, eine entsprechende Produktionstätigkeit zu entfalten (Film-/Fernsehabkommen). Im Musikbereich wird der Kulturauftrag auf den Sender Ö1 abgeschoben. Die Schwierigkeit besteht darin, einerseits den ORF zugunsten von privaten Medienunternehmen finanziell schwächen zu wollen und ihm gleichzeitig entsprechende Verpflichtungen auf zu erlegen, denn: Ganz ohne öffentliche Teilfinanzierung wird es nicht möglich sein, österreichische Identität in den Medien auf Dauer zu sichern. Ob eine Neudefinition des Begriffes „öffentlich-rechtlich“ hilfreich ist, darf bezweifelt werden. Es geht darum, dass nicht nur der ORF Angebote in öffentlich-rechtlicher Qualität bereit stellt, aber nur er die dafür mehr oder weniger geeigneten Rahmenbedingungen vorfindet.

Und schon wieder wird das Gießkannenprinzip schlecht gemacht. Der Gießkanne verdanken wir einen guten Teil der Artenvielfalt im kulturellen Biotop. Und damit auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber prekärer werdenden Lebensbedingungen. Auch hier lässt das vorliegende Regierungsprogramm an zentral gelenkte „Staatskunst“ denken.

Den ländlichen Raum durch Kultur zu stärken, haben sich schon seit langem die Kulturinitiativen zur Aufgabe gemacht, welche mit Hilfe ihrer Interessenvertretungen auch eine stete Ausweitung ihrer strategischen Arbeit mit ländlichen Gemeinden bestreiten. Die Kulturinitiativen standen schon oft als wichtige und besser zu fördernde Kultureinrichtungen in Regierungsprogrammen. Geschehen ist das nie, schon gar nicht mit der letzten schwarz-blauen Regierung, die das auch angekündigt hatte. Ob das etwas mit der Eigenständigkeit und teilweisen strukturellen Querköpfigkeit dieser zivilgesellschaftlichen Errungenschaften zu tun hat?

Dass Kinder und Jugendliche sich bereits in Kindergarten und Schule mit Kultur auseinandersetzen, wurde von der vormaligen ÖVP-Kulturministerin Elisabeth Gehrer wesentlich erschwert, weil sie musische Schulstunden abschaffte, um Geld zu sparen.

Die sonstigen Maßnahmen werden von den Künstler/innen selbst, meistens mit Unterstützung von Kulturkontakt, verwirklicht. Man darf gespannt sein, ob Kulturkontakt ungestört weiter arbeiten darf und entsprechend finanziell ausgestattet wird.

Eine Schule, die ihre Schüler/innen ernsthaft in er Auseinandersetzung mit Kultur und Kunst fördert, muss wohl eine integrierte Ganztagesschule sein, also jene Schulform, der die schwarz-blaue Regierung eine Absage erteilt. Oder werden künftig Deutsch- und Mathestunden durch z.B. Instrumentalunterricht ersetzt? In einer integrierten Ganztagesschule spielen Musikschulen, Sport- und Kulturvereine eine wichtige Rolle und kümmern sich um das genannte Anliegen.

Zusammenfassend sehe ich in diesem Kapitel des Regierungsprogramms kaum wichtige Anliegen der Kunst- und Kulturschaffenden aufgegriffen. Dazu fehlte den Verfassern möglicherweise ein Stück Sachkenntnis. Auch wird ein Hang zu Allmachtsphantasien sichtbar. Plötzlich greift der Bund in Länderkompetenzen ein, es klingt fast nach Staatskunst. Zuversichtlich stimmt das Kulturkapitel des Regierungsprogramms nicht.

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