Laudatio für Elisabeth Stöckler zur Verleihung des Prix Wasserfrau 2005

Der Prix Wasserfrau wird von der Sozialistischen Bodensee-Internationale vergeben und zeichnet Persönlichkeiten mit besonderen Verdiensten um die Gleichstellung der Geschlechter aus.

Meine Damen und Herren,
ich habe heute die Ehre und die große Freude, die Laudatio auf Elisabeth Stöckler zu halten, auf die heutige Preisträgerin des Prix Wasserfrau der sozialistischen Bodensee-Internationale.

Zunächst ist es vielleicht erstaunlich, dass der Preis an eine Frau geht, die eher in der Peripherie des
Bodenseeraums ihren Wirkungskreis entfaltet. Das zeigt aber, dass die Wirkung von Elisabeth Stöcklers Frauenmuseum nicht kleinräumig bleibt, sondern weit ausstrahlt.

Hittisau auf der Wanderkarte
Ich habe Hittisau zunächst in meiner Wanderkarte aufgeschlagen: Ein 1.900-Seelen-Ort im Bregenzerwald, etwas abgelegen. In der Karte sind als besuchenswerte Einrichtungen eingezeichnet: ein Alpsennereimuseum, ein Heimatmuseum, ähnlich wie etwa in Alberschwende (Heimat- und
Landwirtschaftliches Museum) oder in Egg (Heimatmuseum, Bregenzerwälder Heimatarchiv) – alles in allem eine heimatverbundene Gegend also.
Hittisau hebt sich ab – auf der inneren Landkarte
Und doch hebt sich Hittisau auf meiner inneren Landkarte klar von anderen Bregenzerwald-Gemeinden ab. Längst ist mir der Busfahrplan nach und von Hittisau einigermaßen vertraut, längst habe ich alle Gasthäuser ausprobiert (das trifft auf keine andere Bregenzerwald-Gemeinde zu). Längst habe ich
Freunde von weither dorthin ins Frauenmuseum verschleppt... Hittisau tritt durch das erstaunliche Faktum hervor, dass es da seit Juli 2000 ein Frauenmuseum gibt. Und seit Anbeginn ist das Frauenmuseum
mit dem Namen Elisabeth Stöcklers verbunden: Ohne ihre Idee, hätten wir in Hittisau ein Heimatmuseum, wie es tausend andere gibt: volkskundlich mehr oder weniger interessante Gegenstände des alltäglichen Lebens vergangener Zeiten in mehr oder weniger sorgfältig gestalteter Darbietung, die vielleicht
alle fünf Jahre aufgefrischt wird, eine letzte Ausweichmöglichkeit für Touristen an verregneten Tagen, ein Ort wo die Aufmerksamkeit sich kurz an Kuriositäten festhält, um gleich wieder abzuwandern.
Stöcklers Pionier-Tat
Ohne Elisabeth Stöcklers Zähigkeit und Überzeugungskraft, wäre die Idee des Frauenmuseums unrealisiert geblieben. Denn die Reaktion der Gemeindevertretung von Hittisau, war – als sie ihre Idee vortrug – zunächst Hilflosigkeit. Schließlich gab es keine österreichischen Vorbilder, kein Frauenmuseum nirgends! Ein Pionier-Vorhaben – oder vielmehr: das Vorhaben einer Pionierin. Nun, die Gemeindevertretung ließ sich überzeugen und steht nach wie vor hinter dem Frauenmuseum – zum Vorteil der ganzen Gemeinde.
Verschmelzung: Heimat - Frauen
Im Frauenmuseum ist eine seltsam anmutende Verschmelzung geglückt: es ist ein Heimatmuseum geblieben in dem Sinn, dass sich sein Fokus auf den Bregenzerwald richtet und die Ausstellungen immer eine Anknüpfung an dieRegion haben. Es präsentiert nicht verstaubte Gegenstände ohne inneren Zusammenhang, nein. Es greift in wechselnden Ausstellungen Themen undTeilaspekte des Lebens im Bregenzerwald auf und präsentiert diese mit Hilfe alter und neuer Gegenstände des Alltags, des Kunsthandwerks oder der Kunst. Eine Leitidee dabei: weniger ist mehr, Gedanken und Emotionen füllen die Zwischenräume, wenn die Eckpunkte stimmen. Die Konzentriertheit ist nicht nur dem beschränkten (wenn auch beeindruckend schönen) Raumangebot geschuldet.

Gleichzeitig ist das Frauenmuseum natürlich ein Spezialmuseum, das einen bestimmten Bereich des menschlichen Lebens und der menschlichen Kultur herausgreift und präsentiert: das Leben der Frauen. Ist es jedoch ein feministisches Museum? Lassen wir die Frage im Moment noch offen und wenden wir uns noch einmal den Umständen unter denen das Frauenmuseum arbeitet ins Bewusstsein: Es liegt in einem von der bäuerlichen Geschichte und dem katholischen Glauben ungeheuer stark geprägten Landstrich, in dem bis zum heutigen Tag vereinzelt 100%- Wahlergebnisse für die ÖVP zustande kommen – nicht so in Hittisau, ich habe mich gern belehren lasse: hier gibt es eine offene, wirklich offene Bürgerliste.
Hier ist es Elisabeth Stöckler und ihren Verbündeten geglückt, etwas Neues, etwas für alle, das aber speziell die Frauen stärkt, einrichten. Eine geglückte Verschmelzung ist das Frauenmuseum auch insofern, als das Gebäude ja gleichzeitig Feuerwehrhaus, Vereinshaus und Museum ist. Davor sehen wir eine zeitgenössische Skulptur, eine Hydra. Welche Assoziationsräume allein diese Konstellation eröffnet (Fehrwehr und Hydra), will ich hiermit nur angerissen haben.
Aufgabe
Aufgabe des Frauenmuseums ist es [Zitat Eröffnungsausstellung]. Noch ist es offen, ob nicht ein harmlos-konservatives Volkskundemuseum mit Frauenschwerpunkt daraus wird. Werfen wir daher einen Blick auf Elisabeth Stöcklers Arbeit im Frauenmuseum nachdem die Gemeinde überzeugt ist und
die finanziellen Notwendigkeiten für den Moment abgeklärt sind. Jetzt kommt die Ausstellungsarbeit.
Expertise der Ausstellungskuratorin
Schon in der ersten Ausstellung „Mythos und Alltag – eine sozialgeschichtliche Installation“ zeigt sich an zwei Aspekten die vorausschauende Haltung und kulturwissenschaftliche Expertise der Museumsleiterin und Ausstellungskuratorin, die sich durch die gesamte Ausstellungstätigkeit zieht:

1. Die lokale und regionale Verankerung des Museums wird gesucht und gepflegt. Das Museum agiert nicht als UFO, das von irgendwo her zufällig in Hittisau niedergegangen ist, nein, die hier ansässigen Menschen werden mitgedacht und miteinbezogen, nicht nur mit Werken oder Leihgaben, sondern auch mit ihrem Wissen, mit ihrer Erfahrung und mit ihrem künstlerischen Ausdruck. Diese Verankerung ist die Basis dafür, letztlich national und international auszustrahlen und Anziehungspunkt für internationale Wissenschaftler/innen zu sein.

2. Kinder und Jugendliche erfahren eine spezielle Aufmerksamkeit, Betreuung und Einbindung in die Ausstellungen. Es gibt nicht nur Vermittlungsprogramme, die in kindergerechter Form die Ausstellungen
erklären, es gibt darüber hinaus Erlebnisvormittage, an denen Kleingruppen von Kindern Erfahrungen mit den Themen der Ausstellungen machen können, auch physische Erfahrungen, solche die bleiben. Während viele Kultureinrichtungen sich nur um Kinder im Volksschulalter kümmern und kneifen, wenn sich das „schwierige Alter“ nähert, haben im Frauenmuseum auch Hauptschülerinnen schon mitgewirkt.
Diese beiden Aspekte, sich auf lokale Ressourcen zu stützen und Kinder und Jugendliche einzubinden, lassen sich gewissermaßen auch unter dem Begriff „Empowerment“ zusammenfassen, als Anstoß zur Selbstermächtigung.
Feministisch?
Damit komme ich zur offenen Frage zurück, ob das Frauenmuseum ein feministisches Museum ist (für mich klar ein Positiv-Begriff): Unter dem Gesichtspunkt der Selbstermächtigung der Frauen ganz sicher, unter dem Gesichtspunkt der Reflexionsarbeit zu den Ausstellungen auch, das ließe sich an jeder einzelnen Ausstellung und den dazugehörigen Veranstaltungen belegen. Zu denen werde ich jetzt weiter nichts sagen, da ist die Ausstellungsmacherin Elisabeth Stöckler natürlich die Berufenere.
Anliegen mit Charme durchbringen
Sie schafft es, die Anliegen, all die schwierigen Themen (Beispiel Kopftuch) mit so viel Intelligenz und so viel persönlichem Charme zu vertreten und zu gestalten, dass all die Anstöße, die sie damit gibt, niemals anstößig oder verletzend wirken, sondern im Gegenteil: verführerisch (dazu bedarf es allerdings auch der guten Textarbeit, zu sehen an einem Titel wie „Gut behütet“ oder an meinem Lieblingstitel: „Tracht für Einheimische und Zweiheimische“).
Elisabeth Stöckler ist eine, die aus dem Bregenzerwald weggegangen ist, um sich auszubilden und weiterzubilden. Sie hat nach ihren künstlerischen und wissenschaftlichen Studien in Innsbruck zwei postgraduate Ausbildungen absolviert, eine davon war der Lehrgang für Museums- und
Ausstellungskuratoren in Krems. Sie ist also weggegangen und wiedergekommen, und sie hat hier einen passenden Wirkungskreis – teils vorgefunden, teils selbst erarbeitet. Ein Ergebnis ist das Frauenmuseum, für dessen Etablierung sie heute ausgezeichnet wird.
Und so darf ich abschließend zum wohl verdienten Preis gratulieren und uns allen wünschen, dass du, Elisabeth, deine Arbeit in dieser Qualität fortsetzen kannst und willst. Wir harren gespannt der künftigen Ausstellungen. Dafür weiterhin viel Kraft und viel Inspiration!!

 

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