Europäisches Forum Alpbach: Stoff für's Kabarett

Beitrag zur Veranstaltung "Kultur - Harmonie und Konflikt" des Europäischen Forum Alpbach vom 19.- 21.11.2008 in Innsbruck.

Sponsoring ist ein kulturpolitisch massiv überschätztes Thema, weshalb ich mich zunächst dem Übertitel der Veranstaltung zuwende, der „Kultur als Ausrede“.

Ausreden werden ständig gebraucht, und in Politik und Wirtschaft kann „Kultur“ sehr gut als Feigenblatt dienen. Hinter einem Feigenblatt versteckt sich, was an und für sich jede/r kennt, doch lässt niemand dieses Bekannte gern sehen. Dass sich die Kultur speziell als Feigenblatt eignet, liegt möglicherweise an einem rückwärts gewandten Kunst- und Kulturverständnis der handelnden Personen, da „Kultur“ noch immer für das Gute und Wahre (vom Schönen ist man eher abgekommen) steht oder, anders ausgedrückt: für die Wärme, die in einer von angeblichen wirtschaftlichen Sachzwängen dominierten Welt schmerzlich fehlt.

Das Kunst- und Kulturverständnis der Adressat/innen, des Publikums der öffentlichkeitswirksamen Kulturbeschäftigung mit dem Namen Sponsoring teilen fraglos dieses Kunstverständnis, sonst könnte Sponsoring ja nicht seine Wirkung tun – was im übrigen recht mangelhaft erforscht ist.

Ich bin nicht der Meinung, dass „Kultur“ per se ethischer oder „wärmer“ sei als „Wirtschaft“ oder „Politik“. Es kommt schon auf die jeweilige Praxis an. Ob die gegenwärtige Praxis dieser drei Lebensbereiche von unterschiedlicher ethischer Qualität ist, das zu beurteilen überlasse ich gern der Leserin und dem Leser.

Doch wie funktioniert Kultur als Ausrede? Wofür werden die Ablenkmanöver gebraucht?

Lassen Sie mich Beispiele aus der Politik bringen, die mir weitaus zugänglicher ist als die Wirtschaft – letztlich kommt es angesichts der Antriebskräfte innerhalb der Politik auf das Selbe heraus.

Ein Zitat:

„Europa, ein wundeschöner Kontinent mit einer faszinierenden Geschichte, hat viele der weltweit bedeutendsten Wissenschaftler, Erfinder, Künstler, Komponisten und Sportler hervorgebracht. Jahrhundertelang herrschten in Europa Krieg und Teilung. Doch in den letzten 50 Jahren haben die Länder dieses geschichtsträchtigen Kontinents zu Frieden, Freundschaft und Einheit gefunden. Seitdem setzen sie sich für ein besseres Europa und eine bessere Welt ein.“

Lese-Ecke für Jugendliche auf dem EU-Portal

Macht das die Politik der EU aus? Lässt die sich nicht etwas wirklichkeitsnäher beschreiben ohne hässlich zu wirken? Warum fällt den Autor/innen z.B. nicht ein zu schreiben, dass Lebensmittelknappheit in den EU-Ländern kein Thema mehr ist? Dass weit mehr Menschen eine weit bessere Bildung erhalten als früher? Wahrscheinlich, weil den Autor/innen so und so viele Politikbereiche einfallen, in denen die EU nicht ausschließlich in positiven Begriffen zu beschreiben wäre. In der Imagepflege muss offenbar alles glitzern, egal wie schwindelig dieser Glanz ist.

Je stärker neben den spürbaren Wohltaten die negativen Auswirkungen der Politik in Erscheinung treten, desto intensiver wird imagebesorgte Kultur-Gerede praktiziert.

Ich will das im Übrigen keinesfalls nur für die EU behaupten, ganz und gar nicht. Die EU produziert nur die herrlichsten Formulierungen, weshalb sie mir hier als Ausrede-Sünderin par Excellence dient.

Lassen Sie mich deshalb noch einen relativ aktuellen Satz zitieren, leider auch von der EU-Kommission:

„Kultur ist die Seele der menschlichen Entwicklung und Zivilisation.“

Mit diesem Satz beginnt die „Mitteilung der EU-Kommission über eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung“ vom 10. Mai 2007. Ich will mich dazu gar nicht länger auslassen sondern auf Gerald Raunig verweisen, etliche Jahre vor mir Obmann der IG Kultur Österreich und hier zum Thema „Gegenkulturen“ zu Wort kommt. Er hat einen äußerst griffigen Text geschrieben: „Die falsche Sanftmut der Kultur“ zu finden auf der Homepage und in der Zeitschrift der IG Kultur Österreich, in den Kulturrissen.

Zusammenfassend für das Thema „Ausrede“ möchte ich sagen, dass es wohl auch für die Wirtschaft und somit für das Kultursponsoring durch Wirtschaftsbetriebe gilt, dass die grellsten Blüten und das intensivste Glitzern dort zu Tage tritt, wo die Not am größten ist.

Und damit zurück zum Sponsoring.

Sponsoring ist in meinen Augen ein überbewertetes Thema in der öffentlichen Auseinandersetzung um Kultur.

Die Sponsoren, die etwas versprechen, wie der lateinische Wortursprung „spondere“ sagt, halten ihr Versprechen nicht unbedingt. Sobald sie ihr Geld meinen besser einsetzen zu können oder zu müssen, sind die Versprechen vergessen und gebrochen. Das haben auch schon renommierte, zum Sponsoring wie geschaffene Kultureinrichtungen wie die Salzburger Festspiele erfahren.

Sponsoring taugt normalerweise nicht für das Notwendigste in der Kulturarbeit: nämlich dass die Strukturen, dass die professionelle Arbeit, die von Kulturschaffenden und Kulturarbeiter/innen geleistet wird, angemessen dem professionellen Level bezahlt wird. Dazu taugt eher (wenn auch eingeschränkt) die öffentliche Hand, mit der ein langfristiges Aushandeln bislang besser möglich war als mit privaten Sponsoren.

"So wie im Augenblick der Staat den Finanzdienstleistungssektor stützt, so ist es notwendig, den österreichischen Bundesmuseen die wegbrechenden Sponsorenleistungen zu kompensieren", forderte die Direktorenkonferenz der Bundesmuseen Anfang November 2008 in einer Presseaussendung. Also gerade dann, wenn dem Staat große Lasten aufgebürdert werden, springen nicht Sponsoren ein, nein, die verabschieden sich gleichzeitig bzw. schon vorher. Und das von einem ziemlich niedrigen Niveau des Sponsoring.

So kann die in Österreich wahrscheinlich erfolgreichste Sponsorenpflegerin, Agnes Husslein von der Österreichischen Galerie Belvedere, nicht mehr als 10% ihres Budgets über Sponsoren aufbringen. Man kann also nicht einmal von der Butter auf dem Brot sprechen. Rolf Schwendter, der ursprünglich ebenfalls zum Podium „Gegenkulturen“ im Rahmen dieser Veranstaltung eingeladen war, hat das Verhältnis von Aufwand und Ertrag beim Aufspüren möglicher Sponsor/innen so beschrieben: was wir da finden, ist bestenfalls Stoff für die Bühne, für unser nächstes Kabarett. Die Zeit wäre mit Taxifahren besser genützt.

Es bleibt die Kulturförderung somit eine Aufgabe des Staates. Doch auch für die Repräsentant/innen unserer Kulturnation ist Kultur einerseits Pflichtprogramm andererseits Ausrede. Kultur kommt z.B. in Regierungsverhandlungen immer unter „ferner liefen“. Der Hinweis des Rektors der Universität für angewandte Kunst Wien, dass ein Landwirtschaftsministerium offenbar nie in Frage gestellt wird, obschon in diesem Feld wesentlich weniger Menschen beschäftigt sind als in der Kultur, illustriert eine Facette des Problems.

„It’s the economy, stupid“, sagte Bill Clinton, er gebrauchte insofern keine Ausreden. Die IG Kultur Österreich fordert, wie schon zuletzt, ein Ministerium für Kunst, Kultur und Medien.

Nach diesem kleinen Schlenker zur Realpolitik komme ich zum Thema zurück. Ich will mich keineswegs gegen das Sponsoring aussprechen, im Gegenteil. Sponsoring hat auch für die Arbeit von lokalen und regionalen Kulturinitiativen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Wenn Sie Zahlen wünschen, so kann ich gern mit solchen aus der Peripherie, aus Vorarlberg, aufwarten, wo ich Daten erhoben habe:

Die Kulturinitiativen in Vorarlberg (und die Daten sind leider nicht ohne Weiteres auf andere Bundesländer übertragbar – schon für Tirol darf man keine Analogie-Schlüsse ziehen), die Kulturinitiativen erwirtschaften 40 % ihrer Geldeinkünfte selbst (60% stammen aus Subventionen der öffentlichen Hand). Von den selbst erwirtschafteten Beträgen stammen immerhin 17 % aus Sponsoring (2005). Es handelt sich also um ca. 6,8 % des Gesamtbudgets.

Dabei machen Geldzuwendungen nur einen Teil des gesamten Sponsoring aus. Nicht wenig wird in Sachleistungen und Materialien gesponsert. Welchen Geldwert diese Sachleistungen hätten, kann ich nicht beziffern. Doch gerade in der Peripherie, wo regionale Verankerung und Verantwortungs-bewusstsein (SCR) eine Rolle spielen, kann Sponsoring gut und stetig funktionieren, dagegen ist sicher nichts einzuwenden. Das ist ein wichtiger Bestandteil einer integrierten Gesellschaft.

Ich verliere nur sehr schnell die Geduld, wenn gejammert wird, dass Sponsorgelder von der Steuer absetzbar sein müssten – warum eigentlich? Auch sonst kann sich niemand aussuchen, wofür er oder sie Steuern zahlt. Spenden an Forschungseinrichtungen (und dazu gehören ja z.B. alle Bundesmuseen und vieles mehr) sind ohnehin im Besitz eines „Steuerbegünstigungsbescheids“. Wer den Kauf von z.B. Werken der bildenden Kunst von der Steuer absetzbar machen will, tut nichts anderes, als Geld von unten nach oben zu verteilen und auf Steuergelder zu verzichten, die ja gerade von der Kultur dringend gebraucht werden.

Wirtschaftsunternehmen, die Kultursponsoring betreiben wollen, sind ebenso wie Kultureinrichtungen, die gesponsert werden wollen, dazu aufgerufen, ihre gemeinsamen Projekte so gut zu entwickeln, dass auch die Steuer keine gröberen Probleme darstellt. Normalerweise sind sie dazu auch in der Lage. Es darf ruhig geschäftsmäßig gedacht werden, Leistung und Gegenleistung.

Mäzenatentum finde ich im Vergleich weitaus schauriger, da kommt Hierarchie ins Spiel, da sind Gestaltungswünsche der Geldgeber für die kulturellen Inhalte da.

Kulturschaffende und Künstler/innen haben oft Mühe, ihren Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit zu erwirtschaften. Sie könnten insofern ein Mehr an Aufträgen gut gebrauchen, auch von Wirtschaftsbetrieben. Den Merger von ASEA und Brown-Boveri haben freie Theaterschaffende mit betreut, damit zwei völlig unterschiedliche Unternehmenskulturen zusammen wachsen konnten. Kulturschaffende betreiben durch ihre ureigenste Arbeit „Standort-sicherung“, und klug geführte Unternehmen am jeweiligen Standort erkennen dies und bezahlen dafür – es ist ein schlichtes Geschäft. Nach Verkehrsanbindung und Bildungsmöglichkeiten ist die Frage des kulturellen Angebots die wichtigste für eine Niederlassungsentscheidung von Wirtschaftstreibenden, hat eine amerikanische Universität erhoben (zitiert in der EU-Studie „Economy in Culture“ vom Oktober 2006).

Kultursponsoring hingegen als Faktor der reinen Imagepflege, um z.B. dunkle Flecken auf einer weiß zu tragenden Weste zum Verschwinden zu bringen, funktioniert wohl nur kurzfristig und kaum in Zeiten mangelhafter Liquidität der Banken.

Erzwungenes Sponsoring wiederum ist Betrug an der Steuerzahler/in. Das kommt nicht nur so offen vor wie im gesetzlich geregelten Fall der Sportförderung der Österreichischen Lotterien. Eine Stadt richtet ein Festival aus und widmet dem einen bestimmten Betrag aus ihrem Budget. Andere Gebietskörperschaften schließen sich an und subventionieren ebenfalls.

In der Bilanz will man gerne Sponsoreinnahmen aufscheinen lassen – doch woher nehmen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, wenn die Geldbeutel zugeknöpft sind. Ganz einfach, schließlich betreiben unsere Städte und Gemeinden Wirtschaftsunternehmen im großen Stil. In deren Gremien sitzen verdiente Persönlichkeiten aus der Politik, die wissen, was von ihnen erwartet wird. Und so sponsern die Stadtsparkassen, die Stadtwerke, die städtische Versicherung, die stadteigene Werbefirma etc. Wer das positiv sehen will, spricht nicht von Betrug an der Steuerzahlerin sondern von Gewinnen, die in die Kultur umgeschichtet werden, in einer Höhe, die über das reguläre Budget „nicht möglich“ wäre. Doch warum die Sache als Sponsoring verbrämen? Warum nicht die Einnahmen aus den Betrieben ins Budget der Stadt buchen und daraus entsprechende Kultursubventionen zur Verfügung stellen?

So, denke ich, funktioniert Sponsoring zum Teil als recht windiges Feigenblatt für mangelnde Ethik in Wirtschaftsunternehmen und in öffentlichen Gebietskörperschaften . Sponsoring, das auf gegenseitiger Wertschätzung oder schlicht auf Leistungsaustausch basiert, bricht auch in Zeiten wie diesen nicht so einfach weg. Doch leben können davon weder Bundesmuseen noch Kulturinitiativen.

 
 

 

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