Der lange Weg zur Autonomie

 
Beitrag für das Vorarlberger Jahrbuch für Politik 2009/2010 Herausgegeben von Kathrin Stainer-Hämmerle und Peter Plaikner

Der lange Weg zur Autonomie. Für ein Zentrum der Soziokultur im Rheintal.

Das Jahr 2009 war als erstes „Krisenjahr“ in der Budgetgestaltung des Landes Vorarlberg spürbar. Im Budgetentwurf wird darauf explizit Bezug genommen, und als Maßnahme zur Stabilisierung wird ein „Vorarlberger Konjunktur- und Entlastungspaket“ geschnürt, das am 23. Oktober 2008 der Öffentlichkeit präsentiert wird. Dafür werden, so die Aussage des Wirtschaftsreferenten Herbert Sausgruber, 60 Millionen Euro verwendet. In dem Paket enthalten sind die forcierte Umsetzung „baureifer Projekte“ (Hochbauprojekte 10,1 Millionen), die Forcierung der Althaussanierung (5 Millionen), eine höhere Wohnbauförderung für Eigenheime, die Förderung von Solaranlagen in Gewerbebetrieben, Photovoltaik-Förderung, Investitionen in Biomasse-Nahwärme-produktion, Qualitätsverbesserung und Infrastrukturverbesserungen im Tourismusbereich (2 Millionen), neue Initiativen in der Forschungsförderung (1 Million), Investitionsförderungen mit Beschäftigungseffekten für die Wirtschaft (1 Million), in Kleingewerbe-kreditförderung (1,5 Millionen) und ein Jugendbeschäftigungs-programm (2,5 Millionen). Genannt werden auch die ÖBB-Infrastrukturprojekte, an denen das Land beteiligt ist. Es wird deutlich, dass etliche Maßnahmen im Paket aufscheinen, die nicht aus der aktuellen Situation erwachsen sondern auf längerfristiger Planung (auch anderer Ebenen der Politik) beruhen. Dies gilt auch für die im „Entlastungspaket“ genannten sozialen Unterstützungsmaßnahmen. Weiters zeigt sich, dass die Maßnahmen insgesamt „klassisch“ angelegt sind und von früheren Konjunkturmaßnahmen kaum zu unterscheiden sind: sie beziehen sich in erster Linie auf Bauwirtschaft und Gewerbe, wobei technische Innovation und Energieeffizienz als Kriterien eine Zielrichtung vorgeben. Es werden in erster Linie „männliche“ Arbeitsplätze gefördert. Eine Maßnahme im Bildungsbereich, die Abschaffung der Studiengebühren an der Fachhochschule, hebt sich davon ab. Ideen für den Kulturbereich als Arbeitsmarkt und als Standortfaktor fehlen, obschon internationale Studien klar Jahren belegen, dass Investitionen im Bereich Soziokultur Wirtschafts-, Beschäftigungs- und gesellschaftliche Integrationswirkungen entfalten. Dass es sich bei der Beschäftigungswirkung nicht in erster Linie um klassische Arbeitsplätze im Angestelltenverhältnis handelt, muss allerdings betont werden, es werden vielmehr „Arbeitsmöglichkeiten“ unter oft prekären Bedingungen eröffnet.

Einen Tag, nachdem das Konjunktur- und Entlastungspaket präsentiert wurde, am 24. Oktober 2008, geschah Ungewöhnliches: In Feldkirch wurde in Bahnhofsnähe ein Gebäude besetzt. „Die Haus-besetzer wollen ein autonomes Kulturzentrum errichten, meldet der ORF am 25. Oktober. "Wir fordern Raum abseits von Ausbeutung", schreiben die Hausbesetzer in einer am Tag darauf veröffentlichten Presseaussendung: "Die Frage, die uns bewegt, ist die Frage nach Raum, Raum in dem etwas Neues entstehen kann, abseits von der allgegenwärtigen Ausbeutung und Verwertung menschlicher Kreativität durch eine Logik, die nur noch den Willen zu mehr Profit und Macht kennt. Wir wollen einen Raum, indem es wieder Möglichkeiten gibt, Utopien für ein gesellschaftliches Mitsein, das Herrschafts-verhältnisse überwinden kann, offen ist, für eine Zukunft in der sich Begriffe wie Freiheit und Solidarität verwirklichen können."

Die erste Reaktion eines Politikers war jene des Feldkircher Bürgermeisters Wilfried Berchtold: Die Stadt lasse sich nicht erpressen, ließ er vermelden und sprach von illegalen Aktionen. Die Haus-besetzer/innen hatten allerdings das Kunststück geschafft, das Gebäude zu besetzen, ohne gegen ein einziges Gesetz zu verstoßen. Dennoch brachte Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler ebenso wenig Verständnis für die Hausbesetzer/innen auf, doch die Polizei sah keinen Anlass einzugreifen. Unabhängige Organisationen wie der Dachverband für offene Jugendarbeit KOJE, der Kulturverein Transmitter und die IG Kultur Vorarlberg unterstützten das Anliegen der Besetzer/innen von Beginn an. Tatsächlich kam die lautstarke Artikulation des Anliegens, es möge endlich ein Raum für autonome Kulturarbeit frei gegeben werden, für die Politik möglicherweise überraschend, nicht aber für Repräsentant/innen der Kultur- und Jugendarbeit. Denn der Verein Transmitter mit seinem vagabundierenden Festival, selbst schon siebzehn Jahre alt, ist die Kultur gewordene Forderung nach einem Freiraum. Der seit 2005 obdachlose Verein Konkret, Träger des ersten autonomen Jugendzentrums in Österreich, ist eine weitere Wurzel der aktuellen Aktivitäten. Der Aktionsmonat der Initiator/innen für ein autonomes Kulturzentrum lief seit Anfang Oktober 2008. Die Besetzung war insofern nur Kulminationspunkt, um endlich mit dem Anliegen ernst genommen zu werden. Am 28. Oktober gab es ein Gespräch im Rathaus Feldkirch, bei dem neben den Initiator/innen der Bürgermeister und die Vizebürgermeisterin der Stadt Feldkirch sowie der Landesjugendreferent Roland Marent anwesend waren. In diesem Gespräch wird geklärt, dass sich das Anliegen an das Land richtet und kein neues ist. Der Bürgermeister verspricht, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür einzusetzen, dass eine solche Einrichtung in Vorarlberg möglich wird. Die Besetzung wird darauf hin am 30. Oktober 2008 beendet, ein erstes Gespräche mit dem damals für Kultur zuständigen Landesstatthalter Markus Wallner folgt bereits am 11. November im Landhaus. Geklärt wird zunächst das Anliegen der Initiator/innen: - Es geht um Kulturarbeit, z.B. um das Veranstalten von Konzerten, die sonst im Land nirgendwo stattfinden können - Es geht um einen Raum der Begegnung für Menschen aller Altersgruppen, ohne Konsumzwang, ohne pädagogische oder problematisierende Zugänge - Die Arbeit im Zentrum erfolgt ehrenamtlich, eine Subventionierung wird klar abgelehnt (Abrechnungszwänge binden) - Als einzige öffentliche Ressource wird der mietfreie Raum angestrebt.

Geklärt wird auch das Verständnis des Begriffes „autonom“: Spielregeln werden gemeinsam, basisdemokratisch festgelegt. Es geht um ein Miteinander ohne Hierarchie, alle übernehmen Verantwortung für das Funktionieren. Definitiv bedeutet „autonom“ nicht Chaos oder Gesetzlosigkeit, was schon im Rahmen der Besetzung belegt werden konnte.

Eine Arbeitsgruppe wird eingerichtet: Von Seiten der Gemeinden werden die Feldkircher Vizebürgermeisterin Erika Burtscher (Oberland) und der Lustenauer Vizebürgermeister Kurt Fischer (Unterland) delegiert, vom Land mit Werner Grabher und Thomas Müller Vertreter der Abteilungen Kultur und Jugend entsandt. Die Initiative nominiert ebenfalls Vertreter/innen. Weiters sollen die KOJE für Moderation, Einladung und Protokoll eingebunden werden und die IG Kultur Vorarlberg als kulturpolitische Interessenvertretung der unabhängigen Kultureinrichtungen. Der politisch zuständige Ansprechpartner beim Land, Markus Wallner, möchte über den Prozess informiert bleiben und „freut sich auf das Ergebnis“, wie im Protokoll festgehalten ist.

Für die Monate Januar bis März 2009 wird ein Fahrplan festgelegt. Im Rahmen von drei Treffen wird nach einem passenden Gebäude gesucht, die organisatorischen und rechtlichen Fragen werden geklärt. Eingeplant wird auch eine Exkursion ins autonome Kulturzentrum Bremgarten in der benachbarten Schweiz, wo seit 1991 ein Kulturzentrum ohne öffentliche Subvention ein vielfältiges Programm anbietet. Grundsätzlich kommt jede der 29 Gemeinden im Vorarlberger Rheintal als Standort für ein autonomes Kulturzentrum in Frage. Für Februar wird zusätzlich eine öffentliche Diskussion angesetzt, diese findet am 3. Februar bei regem Zuspruch im Spielboden statt.

Nach der Konzeptphase wird eine Umsetzungsphase ab April 2009 eingeplant. In den drei Treffen am 29. Januar, am 24. Februar und am 24. März 2009 wird das Raumanforderungsprofil vorgestellt und die Arbeit der Suche aufgeteilt. Das Anforderungsprofil für das Gebäude ergibt sich aus dem Konzept, hier soll es nur ganz kurz dargelegt werden. - Größe 1.000 qm - Garten - Gute öffentliche Erreichbarkeit (Eisenbahnhaltestelle in Geh-Entfernung) - Ausreichende Entfernung von Wohngebieten (Lärmbelästigung) - Entsprechende Widmung für kulturelle Nutzung oder Möglichkeit umzuwidmen

Dies gilt als Idealform, Kompromisse können notwendig sein. Besichtigt werden sollen Gebäude ab 600 qm. Die Vizebürgermeister/innen kümmern sich um Gebäude im Gemeindebesitz und binden das Realbüro Hagen ein. Die Kulturabteilung befragt die Vermögens-verwaltungs-abteilung des Landes, Vertreter/innen der Initiative kümmern sich um private Anbieter und weitere Immobilienbüros.

Die ÖBB hat mittlerweile das vormals besetzte Gebäude abgerissen, das Grundstück wird gebraucht. Sie ist entgegen den ursprünglichen Wünschen der Initiator/innen nicht in die Gespräche eingebunden, sie zeigt kein Interesse.

Und so machen sich die Initiator/innen des autonomen Kulturzentrums auf die Suche nach einem geeigneten Gebäude. Dazu werden auch die Katasterpläne zu Hilfe genommen, doch die Arbeit gestaltet sich zäh. Objekte in Hohenems werden zweitrangig in Augenschein genommen, denn das Autonome Jugend- und Kulturzentrum Konkret mit ehemaligem Sitz in Hohenems hat in seiner langjährigen Geschichte unerfreuliche Erfahrungen mit der Stadtverwaltung gemacht. Es wird auch die Idee, ein Containergebäude auf einem freien Grundstück zu errichten oder mit Hilfe von Mietzahlungen des Landes einen Neubau zu finanzieren, diskutiert. Allerdings ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, mit welchen Beträgen das Land sich engagieren will. Diese Frage, so der Vorschlag von Kurt Fischer, soll geklärt werden, wenn ein konkretes Gebäude gefunden ist.

Welche Rechtsperson Mieter und insgesamt verantwortlich sein soll, wird gemeinsam mit Haftungsfragen diskutiert. Für die Initiator/innen ist klar, dass der Verein Konkret diese Rolle übernehmen soll und aktive Mitglieder der Initiative sich im Vorstand engagieren werden.

Die Kommunikation mit der Gemeinde, wo das autonome Kulturzentrum angesiedelt werden soll, wird diskutiert. Bürgermeister/innen und Gemeindevorstände sind ebenso einzubinden wie aktive Vereine der Gemeinde.

Erika Burtscher und Kurt Fischer finden keine geeigneten Gebäude. Die Kulturabteilung des Landes findet über die Vermögens-verwaltungsabteilung zwei Gebäude in Bregenz, die aber beide ungeeignet sind (eines zu klein, eines zu groß und zu teuer und dazu bewohnt). Die Initiator/innen bringen eine Vielzahl an Gebäuden in die Diskussion: Haus der jungen Arbeiter, Fussenegger- und Steinebachareal, Steinbruch, Elektro Rein (Dornbirn), Tupperwaregebäude (Weiler), Spinnerei, Otten Areal, Doldbau (Hohenems), Thiengebäude (Rankweil), Verzinkerei Zimmermann (Lustenau), Tierkörperverwertung (Koblach), Gasthof Schiff (Bregenz).

Die Treffen finden im Vismut in Dornbirn statt, Martin Hagen von der offenen Jugendarbeit in Dornbirn als Gastgeber liefert wichtige Beiträge. Vismut und KOJE wollen nach einem letzten Treffen im April die Koordinationsarbeit an die IG Kultur weiter geben, was von allen gutgeheißen wird.

Die Ergebnisse der bisherigen Arbeit werden am 31. März 2009 Landesstatthalter Markus Wallner und Mitarbeiter/innen aus den Abteilungen Kultur und Jugend präsentiert. Die Favoriten der Initiator/innen sind das Tupperwaregebäude in Weiler und das Thiengebäude in Rankweil, wobei in Weiler die Bürgermeisterin Mechthild Bawart sich als Befürworterin eines autonomen Kulturzentrums in ihrer Gemeinde deklariert, was in Rankweil noch nicht geklärt ist. Als Kaufpreise stehen 1,3 bzw. 2 Millionen Euro im Raum. Markus Wallner lehnt allerdings einen Kauf des Landes in dieser Größenordnung ab. Soviel Geld sei weder kurzfristig verfügbar (frühestens nach einem Beschluss im Herbst 2009 im Budget des Jahres 2010), noch sei das Land gewillt, in einer solchen Größenordnung Geld bereit zu stellen. Er bietet die Zahlung einer Miete durch das Land in derselben Größenordnung wie für das Theater Kosmos in Bregenz an (32.000 Euro im Jahr). So werden die Initiator/innen wieder auf die Suche nach einem Mietobjekt geschickt.

Aus heutiger Sicht wäre es kaum möglich gewesen, das Thiengebäude in Rankweil (Privatbesitz einer Technologiekonzerns) zu kaufen oder zu mieten. Beim Tupperwaregebäude stellte sich heraus, dass die Widmung (Betriebsgebiet II) keine kulturelle Nutzung zugelassen hätte und eine Umwidmung laut Rechtsauskunft des Landes nicht möglich wäre.

Die Exkursion nach Bremgarten im April 2009 ergab neue Erkenntnisse in folgender Hinsicht: in einer 6.000-Einwohnergemeinde kann ein solches Kulturzentrum über lange Zeit existieren. Das Gebäude selbst ist desolat, ob es Vorarlberger Veranstaltungsrecht genügen würde wird von Vertretern des Landes bezweifelt. Das Programm ist vielfältig, der Besuch gut, Probleme mit der Gemeinde oder mit Nachbarn scheint es nicht zu geben.

Ein Treffen mit Martin Assmann von Vision Rheintal ergibt eine unverbindliche Billigung des Projekts, aber keine konkreten Zusagen der Unterstützung, weder im Sinn der Raumsuche noch betreffend die Thematisierung im Rahmen einer der regelmäßigen Konferenzen mit den Bürgermeister/innen im Rheintal.

Für die Monate Mai bis Juni wird notgedrungen eine zweite Phase der Raumsuche eingeplant, der Verein Konkret stellt einen formellen Finanzierungantrag an das Land, damit das Projekt im Budget berücksichtigt werden kann. Die Tierkörperverwertung in Koblach rückt allmählich ins Zentrum des Interesses. Es handelt sich dabei um eine Halle mit 600 qm Grundfläche und elf bis 13 m Höhe. Es gibt funktionierende Nebenräume (kleine Büros, wenig Sanitär), es gibt Flächen im Freien. Die Halle ist mit Strom versorgt aber unisoliert (nicht zu heizen). Zeitweise tritt Geruchsbelästigung durch den Probebetrieb der Tierkörperverbrennung im selben Gebäudeverbund auf. Großer Vorteil: die Halle steht im überwiegenden Besitz des Landes. Die Initiator/innen sehen zwar die baulichen und akustischen Schwierigkeiten, entwickeln aber sehr schnell eine Vielzahl von Ideen, wie diese Probleme angepackt werden können. Erika Burtscher stellt Kontakt mit dem Koblacher Bürgermeister Fritz Maierhofer her, der sich nach anfänglicher Überraschung interessiert zeigt. Als nächstes soll daher die Widmungsfrage geklärt werden.

Zu diesem Zeitpunkt Anfang Juli wird das Land kontaktiert. Markus Wallner scheint interessiert und verspricht, die Widmungsfrage zu klären. Die Urlaubszeit verhindert ein rasches Weiterarbeiten, im Sommer beginnt überdies der Wahlkampf für die Landtagswahl am 20. September 2009. Es gibt für die Initiator/innen keine andere Möglichkeit, als ein Terminangebot von Markus Wallner für den 10. September 2009 anzunehmen, um eine Vereinbarung betreffend das Gebäude schließen zu können. Der Leiter der Vermögensverwaltungs-abteilung des Landes, Kurt Fenkart, soll dabei sein. Dieses Treffen verläuft eigenartig: von Seiten des Landes ist davon die Rede, dass die Halle einerseits desolat sei, andererseits werde sie möglicherweise als Lagerhalle für Kunstobjekte gebraucht (z.B. für mehrere Beton-Porsches von Gottfried Bechtold). Das Land habe bis vor kurzem eine Monatsmiete von 3.000 Euro pro Monat von der Firma Rauch erwirtschaften können, die dort Trester getrocknet habe. Die Veranstaltungstauglichkeit wird bezweifelt, die Renovierungskosten werden als unfinanzierbar angesehen (zwischen ein und zwei Millionen Euro). Die Initiator/innen erinnern, daran, dass ihnen an dem Gebäude im derzeitigen Zustand gelegen ist, eine Luxusrenovierung wünscht sich niemand, auch wenn damit feststeht, dass im Winter wenig veranstaltet werden kann. Sie schlagen vor, sich bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde nach den Mindeststandards für eine Veranstaltungsgenehmigung zu erkundigen. Karl Fenkart sagt zu, dies zu erledigen. Die Initiator/innen versichern, alles Notwendige aus eigener Kraft renovieren zu können. So trennt man sich zehn Tage vor der Landtagswahl nicht ohne Zuversicht.

Nach der Landtagswahl ist Markus Wallner zwar noch Landes-statthalter aber nicht mehr für Kultur zuständig. Diese Verantwortung tritt er an Andrea Kaufmann ab, zu diesem Zeitpunkt Kulturstadträtin in Dornbirn. Insgesamt hat er sich nach der Wahl offenbar von dem Projekt verabschiedet, ohne dies so konkret zu artikulieren. Am Rande des „Kulturtreffs“ am 16. November 2009 spricht er von einem nicht realisierbaren Projekt. Die versprochene Kontaktaufnahme Karl Fenkarts mit der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch findet nicht statt. Erst auf Drängen der Initiator/innen kommt es am 25. November zu einem Gespräch mit Karl Fenkart. Er hat detaillierte Kostenschätzungen für die Instandsetzung beauftragt und erhalten. Doch befürwortet er die Instandsetzung nicht und führt Kostengründe an. Gleichzeitig soll die Halle im derzeitigen Zustand den Initiator/innen nicht überlassen werden, das Land könne die Halle im derzeitigen Zustand nicht vermieten, meint Fenkart. Zum Trost übermittelt er einige Tage später die Kostenschätzung für eine vollständige Renovierung inklusive Isolierung der Halle (Größenordnung 1,8 Millionen Euro) und eine Liste der Liegenschaften, die sich im Besitz des Landes befinden.

Das Ergebnis eines über ein Jahr andauernden politischen Projekts ist mehr als ernüchternd: zwar konnten die Initiator/innen mittels der Hausbesetzung Politiker/innen dazu bewegen, in Gespräche einzutreten und verbale Bekenntnisse zum Projekt eines autonomen Kulturzentrums zu erlangen. Doch am Ende gibt es ein leer stehendes Gebäude des Landes, das die Initiator/innen gern dafür adaptiert hätten, doch das Land verweigert letztlich die Zustimmung. Ein nachvollziehbarer Grund dafür wurde bislang nicht genannt. Die Initiator/innen erhielten, das ist der Stand der Dinge heute, von der neuen Kulturlandesrätin wiederum die Zusicherung, dem Projekt wohlwollend gegenüber zu stehen und zu Mietzahlungen bereit zu sein, wenn nur ein geeignetes Gebäude gefunden werde.

So hat die Landesregierung in Vorarlberg die Chance ungenützt verstreichen lassen, ein nachhaltiges Projekt im Soziokulturbereich entstehen zu lassen. Die Gründe dafür bleiben im Dunkeln. Denn im Gegensatz zu manchen negativen Erwartungen der Initiator/innen gab es von Seiten der involvierten Gemeinden, keine ablehnenden Haltungen sondern im Gegenteil – Interesse und Zuspruch. Kosten wären dem Land keine entstanden, sieht man vom Entfall einer Miete ab, die zurzeit ohnehin nicht lukriert wird. Für ein autonomes Kulturzentrum ein Gebäude bereit zu stellen, wäre auch ein Signal an die von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Unsicherheit bedrängten jungen Erwachsenen gewesen, dass es Platz auch für sie gibt und dass ehrenamtliches Engagement sich lohnt. Nämlich in dem Sinn, dass gesellschaftliche Integration über gemeinsame Arbeit passiert, dass berufliche Perspektiven auch durch die organisatorische Arbeit in einem Kulturzentrum und in dort angesiedelten Werkstätten verbessert werden können. Das Angebot, ehrenamtlich ein solches Zentrum zu betreiben, hat nicht die verdiente Wertschätzung erfahren.

Nun dürfte die Winterdepression eingekehrt, die Energie bis auf Weiteres verbraucht zu sein. Etliche der Aktivist/innen haben Vorarlberg in Richtung der Universitätsstädte verlassen. Sie sehen keine realistische Chance, ihr Kulturzentrum in absehbarer Zeit verwirklichen zu können. Ihr Energie und ihre Lebenszeit werden sie nun anderswo investieren. Denn von der Vorarlberger Landesregierung fühlen sie sich verschaukelt.

Für die Landesregierung bedeutet dies jedoch nicht, dass sie das Projekt nun ad acta legen und vergessen kann. Denn im Walgau hat es am 23. Oktober 2009, genau ein Jahr nach der Verlautbarung des „Vorarlberger Konjunkturpakets“ wiederum eine Hausbesetzung gegeben. An die 20 durchwegs jüngere Aktivist/innen, die mit den Initiator/innen des autonomen Kulturzentrums im Rheintal in loser Verbindung stehen, haben ähnliche Forderungen erhoben.

Nun würde es der Landesregierung gut anstehen, das sich bietende gesellschaftliche Potential (von Ökonom/innen gern auch als „Sozialkapital“ bezeichnet), nicht zu vernachlässigen oder gar aus dem Land zu vertreiben, sondern das geringe notwendige Investment an Raum tatsächlich bereit zu stellen. Wurde zu Beginn der Verhandlungen im November 2008 das Bekenntnis des Landes-statthalters Markus Wallner zum Projekt noch ernst genommen, so gab seine gewandelte Haltung unmittelbar nach der Landtagswahl Anlass, sich in negativen Erwartungen gegenüber der Politik bestätigt zu fühlen.

Sollte es im ersten Jahresdrittel 2010 gelingen, nicht nur ein Vertrauens-verhältnis zwischen der Szene und der nunmehr zuständigen Kulturlandesrätin Andrea Kaufmann herzustellen sondern auch ein Gebäude zu finden, sind die Chancen für ein wichtiges soziokulturelles Projekt in Vorarlberg noch gegeben. Denn der Sommer eignet sich für den Start am besten. Vielleicht verbleibt die Landesregierung jedoch bei der oft praktizierten Haltung, möglichst keine Einrichtung ohne direkte Einflussmöglichkeit zuzulassen – und sei es nur ein Freiraum für alternative Kultur, ein Experimentierfeld für Arbeits- und Lebensformen.

 
 

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