7 Wünsche zu den ORF Radio Journalen

Ich höre regelmässig Ö1 Journale: um 7 das Morgenjournal, manchmal noch um 8 auch wenn ein gutes Interview kommt, und um 12 oder 18 Uhr beim Kochen. So bin ich top informiert und die Beiträge sind abwechslungsreich und gut gestaltet. Doch mir fällt auf, dass sich einige spezielle Sprachgewohnheiten im ORF Journal - Team eingeschlichen haben. Und bei manchen Beiträgen fehlt mir der Blick über den Tellerrand. Hier meine Wunschliste.

1. Wenn die Politik etwas ausverhandelt dann bleiben oft Details noch offen. Diese werden von Journalisten gerne als technische Details bezeichnet, obwohl es sich meist um administrative oder juristische Fragestellungen handelt, die noch zu klären sind. Auch wenn der Technikbegriff historisch weitläufig war, so wird er heute vor allem im Umfeld von Innovation, Digitalisierung, Fertigkeiten oder technischen Artefakten und Gewerken verwendet. Auch in der Wissenschaft hat die Technik einen klaren Platz, genauso in den sogenannten MINT Fächern. Nein, beim Ausformulieren von Richtlinien werden keine Schraubenzieher oder Software Bug Tracker verwendet. (Auch wenn letzteres ein geeignetes Werkzeug wäre, um politische Prozesse zu begleiten - ich verwende gitlab mittlerweile für alle Projekte, auch jene die nichts mit Technik zu tun haben.)

2. Bei Wirtschaftsthemen ist oft die Rede vom "kleinen Installateur". Hey, KMUs sind das Rückgrat der Wirtschaft in Österreich und Installateure haben meist eine gut gebaute Figur, sie müssen ja auch zupacken können. Also bitte einfach auf "klein" verzichten. Überhaupt, kommen die KMUs viel zu bwenig zu Wort, stets wird über Konzerne und Industrie oder Fluglinien berichtet, aber über eine Bäckereigenossenschaft, Handwerkszunft oder Softwareschmiede? Nein, die haben keine Presseabteilung und ja, da muss man halt recherchieren und hingehen.

3. In vielen Beiträgen wird der Kontext viel zu selten wiederholt. Worum oder um welches Land geht es in dem Beitrag? Manchmal steigt man ja mitten drin ein und zumindest der*die Moderator*in der Sendung sollte dies bei einem Interview öfter wiederholen, aber auch in einem vorproduzierten Beitrag wäre es öfter angebracht, den Kontext aus verschiedenen Perspektiven darzustellen.

4. Journalisten sollten Redewendungen gewisser Lobbygruppen  nicht mantraartig wiederholen. Zum Beispiel: E-Autos hätten ein "Reichweitenproblem". Nein, wir müssen Mobilität anders denken, 300 km reichen doch bis zur nächsten Ladestation (davon gibt es in Österreich mittlerweile wesentlich mehr als Zapfsäulen). Und nicht das Framing der Diesel-Lobby zementieren helfen.

5.  Kommunikationswerkzeuge sollen herstellerunahängig bezeichnet werden. Skype ist ein Produkt von Microsoft, aber ORF Journalisten scheinen es gerne zu verwenden und machen auch gleich Produktwerbung dafür. Sie sagen ja auch nicht bei einem Telefoneinsteig, dass sie jetzt mit Huawei sprechen. Es gibt zahlreiche andere gute Audio- und Videokonferenzlösungen.
(Disclaimer: eine davon habe ich selbst mit aufgebaut: fairmeeting auf Basis der Open Spurce Lösung Jitsi Meet, so heisst auch die App dazu).

6.  Manchmal fehlt mir der kritische Blick, speziell bei Berichterstattungen von Pressekonferenzen. Wenn etwa über den Jobabbau bei der AUA berichtet wird sollte vielleicht auch eine Anmerkung mit einfliessen, ob eine nationale Fluglinie in Zeiten des Klimawandels ein notwendiges Aushängeschild ist. Und dass hinter dem Verdrängungswettbewerb massive Kapitalinteressen stehen, um nach der gewonnenen Schlacht - wenn monopolartige Verhältnisse herrschen - erst Recht zur Kassa zu bitten. Da genügt ein Blick in die Softwarebranche, welchen volkswirtschaftlichen Schaden die Übermacht einiger weniger amerikanischer US Anbieter anrichtet. Solche kritischen Überlegungen gehören für mich in einen Beitrag hinein, auch wenn in der Pressekonferenz diese nicht thematisiert worden sind oder es keine Gelegenheit gab, entsprechende Fragen zu stellen.

7. Als jemand der lange in Wien, aber auch schon lange nicht mehr dort seinen Lebensmittelpunkt hat, fällt mir die starke Fokussierung in den Journalsendungen und überhaupt auf allen Kanälen des ORF ausser den Regionalsendern auf Wien auf. Beiträge aus den Bundesländern fallen oft qualitativ stark ab und berichten selten über etwas anderes als zur Chronik. Jedes Landesstudio sollte auch Mitarbeiter*innen haben, die vorwiegend für die bundesweite ORF Journalredaktion arbeiten. Oder von einem Pool freischaffender Journalist*innen Beiträge bestellen, die auch mal über gesellschaftliche oder politische Themen etwas tiefgründiger berichten.

Gut finde ich dass vermehrt aus Brüssel berichtet wird. Man muss ja auch nicht jeden Tweet von Trump nochmal im Radio wiederholen. Schön, dass Radio wieder vermehrt Gehör findet. Ein guter Nachrichtenservice ist sicher ein wichtiger Attraktor. Und so werde ich weiterhin viele Journalsendungen hören.

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