Meine Damen und Herren,
danke für die Möglichkeit, hier eine Position zu Fragen des Urheberrechts zu präsentieren. Zunächst möchte ich Ihnen meine Berührungspunkte mit der Materie nennen, auf die sich meine Position gründet, denn ich sehe mich hier – auch als Geisteswissenschaftlerin – gewissermaßen als „bunten Vogel“.
Ich habe etwa sechs Jahre für eine Verwertungsgesellschaft (jene der Filmschaffenden) gearbeitet, kenne also die Innensicht dieses eher diskreten Arbeitsfeldes samt seinen internationalen Verflechtungen. Später habe ich als Interessenvertreterin für Urheber und Leistungsschutzberechtigte gearbeitet, nämlich für freie Theaterschaffende, die sich oftmals durch urheberrechtliche Restriktionen in ihrer Arbeit gehindert fühlen. Jetzt bin ich für Kulturinitiativen und Kulturveranstalter tätig, die wichtige Auftraggeber für Künstler/innen regelmäßige Zahler sind und bin als Gerichtssachverständige für Theater und Urheberfragen beim Handelsgericht Wien eingetragen, von wo mich immer wieder hochinteressante Fragestellungen erreichen. In sehr bescheidenem Umfang bin ich auch Urheberin, Sie können meine Werke auf meiner Homepage finden und sogar gewerblich nutzen, wenn Sie meinen Namen nennen und Ihr neues Werk in derselben Weise lizenzieren. Die Unternehmerseite kenne ich vornehmlich aus zweiter Hand über meinen Ehemann, der im Vorstand der Kreativwirtschaft Austria tätig ist.
Wenn ich im Folgenden etwas kurz und dadurch plakativ bin, dann ist das teilweise der strikten Zeitbegrenzung geschuldet. Und damit zur Sache:
Ich möchte damit beginnen, Ihnen drei Ziele eines zeitgemäßen Urheberrechts zu nennen, die sich – etwas anders formuliert – auch im Leipziger Manifest zum Schutz des geistigen Eigentums finden und mit denen Sie sich vermutlich identifizieren können:
- Eine umfangreiche künstlerischen und kulturelle Produktion
- Zugang der Allgemeinheit zu den kulturellen Erzeugnissen
- Eine angemessene Entlohnung für die Kreativen
Nun, erreicht das bestehende Urheberrecht diese Ziele?
Ziel 1 wird eher durch Kultur- und Wissenschaftsförderung erreicht. Überlegen Sie, was in Österreich an Musik-, Theater-, Film- und Literaturproduktion übrig bliebe ohne die Förderung durch Steuermittel – sehr, sehr wenig! Dem Ziel 2 nähert man sich am ehesten durch die Ausnahmeregelungen im Urheberrecht, wo das Ausschlussrecht durchbrochen wird: Privatkopie, Schul- und Unterrichts-gebrauch etc. Und Ziel 3, die angemessene Entlohnung? Die 2009 präsentierte Untersuchung des BMUKK hat belegt, was wir schon vorher wussten: Künstler/innen in Österreich müssen im Durchschnitt mit knapp 10.000 Euro im Jahr auskommen, das künstlerische Einkommen macht daran nur gut die Hälfte aus, obwohl sie im Durchschnitt 53 Stunden pro Woche arbeiten.
Nun muss ich Sie fragen: ist irgendwo ein Ziel des Urheberrechtsgesetzes formuliert, das da lautet: sehr reiche Menschen, nämlich die Eigentümer der großen Unterhaltungs- und Medienunternehmen, noch reicher zu machen? Wäre dies ein Ziel der gesetzgebenden Körperschaften, müssten wir sagen: es wird erreicht, nicht erst heute. Schon Franz Lehar hat als Verleger seiner erfolgreichen Operetten mehr verdient denn als ihr Komponist. Exponent/innen dieser Unternehmen sprechen von „Content“ als dem Öl des 21. Jahrhunderts.
Was also tun, um sich den oben genannten Zielen tatsächlich anzunähern? Ich nenne zwei Maßnahmen, die Sie angesichts bestehender Markt- und Kräfteverhältnisse als unrealistisch ansehen mögen:
- Vereinheitlichung und Verkürzung der Schutzfristen der Urheber- und Leistungsschutzrechte (der Unterschied scheint überholt) auf die Lebenszeit der Schöpfer/innen bzw. der Interpret/innen (dem bzw. der letztlebenden bei Gemeinschaftswerken).
- Leistungsschutzrechte als Produzenten sollen nur jene genießen, die tatsächlich produzieren, also nicht die Aufkäufer von Rechten.
Zur Maßnahme 1 ist zu fragen: Warum sollen Rechte über den Tod der Kreativen hinaus bestehen? So intakt ist der Wohlfahrtsstaat, dass Hinterbliebene, die sich nicht selbst versorgen können, Unterstützung erfahren. Das war zur Entstehungszeit des Urheberrechts nicht so, die Stammgesetze der österreichischen Sozialversicherung von 1888 sahen nur Unfall- und Krankenversicherung vor und die Menschen lebten beträchtlich kürzer. War es im 19. Jahrhundert aus sozialen Gründen also durchaus gerechtfertigt, dass Urheberrechte den Hinterbliebenen zugute kamen, so gibt es im 21. Jahrhundert dafür zumindest keine sozialen Gründe mehr. Ob Urheberrechte vererbt werden können sollen, wird immer andiskutiert, jedoch mit dem Argument abgewehrt, man könne über Sinn und Unsinn des Erbrechts insgesamt jederzeit diskutieren, doch nicht über das Erbe an geistigem Eigentum allein. Dabei gibt es einen gewichtigen Grund, hier zwischen materiellem und geistigem Eigentum zu unterscheiden: in einer ererbten Wohnung können nur ein paar Leute wohnen, sicher nicht alle Welt. Werke der Kunst können von unzähligen genossen werden, ohne dass man sich in die Quere kommt. Eine Förderung der Erb/innen ist meines Erachtens nirgendwo ein manifestes politisches Ziel. Die Erb/innen, welche eine künstlerische Verlassenschaft besser pflegen, als dies die dazu berufenen Einrichtungen und Personen ohnehin tun, sind rare Ausnahmen.
Maßnahme 2 findet in Österreich durchaus Gefallen auch in den Reihen der Produzent/innen.
Damit Künstler/innen mit ihren Werken einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt bekannt werden, ist die Leistung der Produzent/innen unerlässlich. Die Arbeit von Galerien, Filmproduktionsfirmen, Verlagen, Tonträgerproduzent/innen etc. ist mehr als ein Investment (teils alles andere als ein Investment): sie ist normalerweise die persönliche Leistung von kunst- und geldverständigen Menschen, die deshalb im Urheberrecht nicht zu Unrecht gewürdigt wird. Warum aber soll jemand, der einen Stapel Filmkopien kauft oder ein Gemälde ersteigert Urheberrechte mit dazu bekommen? Schon die Folgerechtsrichtlinie schlägt in diese Kerbe, ebenso das EUGH-Urteil vom 16. Juli 2009 (C-5/08 - Infopaq), das den Schutzstandard jedenfalls über das reine Investment hinaus hebt.
Würden diese zwei Maßnahmen realisiert, hätte das eine Vielzahl von positiven Effekten:
- Die Abklärung von Rechten – heutzutage ein absoluter Horror – würde viel einfacher, ja in vielen Fällen oft erst möglich werden. Es ist nicht so schwer fest zu stellen, ob jemand noch lebt und wer etwas produziert hat. Hingegen ist es oft unmöglich letztgültig zu klären, wer was mittels eines privaten Vertrags gekauft hat.
- Sehr viele Rechte ansammeln könnten nur diejenigen, die auch fleißig produzieren – ein Vorteil für die Künstler, die interessierte Produzent/innen vorfinden.
- Die Marktmacht einzelner Unternehmen würde abnehmen und hoffentlich auf ein menschliches Maß reduziert - Künstler/innen wären nicht ständig in der Position des sprichwörtlichen Vogels, der fressen oder sterben muss.
Umfangreiche Backlists, wie sie jetzt gern angesammelt werden, verleiten natürlich dazu, Schutzfristen immer länger ausdehnen zu wollen. Und nirgends wird „die soziale Lage der Künstler/innen“ heuchlerischer ins Treffen geführt als in diesem Zusammenhang. Dabei hätten es z.B. die IFPI-Mitglieder in die Hand, die schlechte soziale Lage von jungen Studiomusiker/innen durch angemessene Honorare gleich unmittelbar zu verbessern.
Einfacher, kürzer, direkter – das Urheberrecht lenkt zwar Geldströme, jetzt aber nur zum geringsten Teil in die Taschen der kreativen Geistesarbeiter/innen und leistet sich damit eine gewaltige Themenverfehlung.
Referat Leonhard Dobusch: http://www.dobusch.net/pub/pol/Dobusch(2010)Populaere-Urheberrechtsmythen.pdf