In der Dornbirner Stadtvertretungssitzung am 13.11.2014 stand erstmals ein Antrag einer Oppositionspartei zu einem allgemeinen poltischen Thema auf der Tagesordnung. Bislang hatte die ÖVP in Dornbirn das erfolgreich verhindert. Der grüne Stadtvertreter Thomas Mazzurana beantragte mit Unterstützung der drei weiteren grünen Stadtvertreter/innen die Veröffentlichung der Protokolle der Stadtvertretung auf der Homepage der Stadt und begründete das so:
"Die Menschen haben ein Anrecht auf Kontrolle und Kritik der städtischen Politik. Transparenz des administrativen wie auch kommunalpolitischen Handelns ist dafür Voraussetzung. Wir müssen uns vor den Menschen, die wir als PolitikerInnen vertreten, nicht verstecken. Sie müssen über die Argumente für Entscheidungen, seien es Gebührenerhöhungen oder Umwidmungen, informiert werden."
Wie nicht anders zu erwarten, lehnte die ÖVP den Antrag ab. Stadtamtdirektor Ledermüllner argumentierte das mit "Datenschutz", konkret mit einem Erkenntnis der Datenschutzkommission und einem Gutachten der Uni Saluburg, die allerdings beide die entscheidende Frage offen lassen.
Kein anderes Gesetz wird so intensiv missbraucht, um Behörden vor "neugierigen" Bürger/innen zu schützen wie das Datenschutzgesetz. Dabei ist sein Zweck eindeutig umgekehrt: es soll persönliche Daten von Bürger/innen vor sammel- und kontrollwütigen Behörden schützen.
Im konkreten Fall, wo Stadtvertretungssitzungen ebenso öffentlich zugänglich sind wie die schriftlichen Protokolle für jeden und jede im Rathaus einsehbar, kann der Datenschutz gar nicht greifen. So argumentiert der Datenschutzexperte Christian Wirthensohn:
Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 1 DSG 2000 ist ein schutzwürdiges Interesse auf Geheimhaltung ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind. Dieser Grundsatz findet sich auch in § 8 Abs 2 DSG 2000, nach dem bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt gelten. Das gemäß § 28 DSG 2000 bestehende Widerspruchsrecht bleibt davon unberührt.
Im Hinblick auf die Beurteilung der Datenverwendung durch Dornbirner Gemeindeorgane im Rahmen ihrer Tätigkeit ist wegen der diesbezüglichen Zuständigkeit des Landes allerdings nicht direkt das DSG 2000 sondern - zunächst - das Vlbg. Landes-Datenschutzgesetz anzuwenden. Dieses sieht allerdings in § 4 Abs 1 ua die sinngemäße Anwendbarkeit der Bestimmungen des Artikels 2 des 2. Abschnitts des DSG 2000 vor, weshalb insbesondere die Bestimmung des § 8 Abs 2 DSG 2000 auch in diesem Zusammenhang anwendbar ist.
Gemäß § 47 Abs 6 Vlbg. Gemeindegesetz ist die Einsichtnahme in Verhandlungsschriften öffentlicher Gemeindevertretungssitzungen jeder Person erlaubt. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Verhandlungsschriften enthaltenen personenbezogenen Daten ab dem Zeitpunkt, ab dem die Verhandlungsschrift zur Einsicht aufliegt, zulässig veröffentlicht im Sinne des § 8 Abs 2 DSG 2000 sind und daher keine Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen mehr gegeben sein kann.
Schlimmer als die Ablehnung des Antrags durch die ÖVP ist die Tatsache, dass auch SPÖ und FPÖ sich deren Sichtweise anschlossen. Einerseits aus Feigheit, andererseits gibt es unter den Stadtvertretern dieser Fraktionen tatsächlich Ansichten wie: "Die Bürger interessiert das gar nicht, sonst könnten sie ja in die Sitzung kommen."
Es wird Zeit, dass in Dornbirn normale, demokratische Verhältnisse einkehren. Mit 52% der Stimmen 100% der Macht auszuüben ist der ÖVP in Dornbirn allzu lange geglückt. Das ist vorbei - auch wenn die Grünen da noch einiges an Arbeit investieren werden müssen.
http://www.vorarlbergernachrichten.at/lokal/vorarlberg/2014/11/21/wenn-eine-tanne-dem-kanzler-im-weg-steht.vn