Sehr geehrter Herr Schmalhardt,
die mediale Berichterstattung und die Lektüre der Zusammenfassung des Rechnungs-hof-berichts über die Prüfung der Kostensteigerung beim Bau der L 200 haben mich als Bürgerin ziemlich bestürzt gemacht, vor allem die folgenden Punkte: - dass dem Projekt offenbar eine Kostenschätzung aus dem Jahr 1989 zugrunde lag - dass eine Landes-Bauabteilung, die nicht zum ersten Mal einen Straßenbau beauftragt, offenbar mit den Praktiken der Bauwirtschaft nicht vertraut ist - dass ein über zehn Jahre altes Projekt bei Baubeginn nicht bezüglich Wirtschaftlichkeit (öffentlicher Nutzen, Alternativen) und realistischer Kostenkalkulation erneut geprüft wird. Natürlich sind einige Punkte als Teil-Ursachen für die enorme Kostensteigerung, „nachvollziehbar“, wie Sie schreiben. Durch diese Ausdrucksweise legitimieren Sie jedoch die gesamte Projektabwicklung, die kritischen Anmerkungen gehen unter und bleiben möglicherweise folgenlos.
Bitte denken Sie daran, wie Projekte im Sozial- und Kulturbereich (der letztere ist meine Domaine), die öffentlich (teil-) finanziert werden, bereits durch die fördernden Abteilungen geprüft werden: - ohne exakte Kostenkalkulation und exakten Zeitplan geht nichts - eine genaue inhatliche Prüfung erfolgt durch die Abteilung und durch externe Expert/innen (Jurys) - schon geringe Kostenverschiebungen (nicht Steigerungen!) z.B. zwischen Honoraren und Reisekosten bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die fördernde Stelle - die Auszahlung der letzten Rate erfolgt nach Abschluss des Projekts und nach Prüfung der inhatlichen und abrechnungstechnischen Korrektheit, wobei Zwischenfinanzierungskosten nie verrechnet werden können. Diese und noch viel mehr Regeln gelten bei Projekten, die oft nur in einem Finanzrahmen von 15.000 Euro oder weniger liegen (und dem Rechnungshof kaum jemals vor Augen kommen werden).
Mein Anliegen an Sie wäre es nunmehr, verstärkt die Relation zwischen Prüfungsaufwand und öffentlichem Kostenaufwand im Auge zu behalten: der Prüfungsaufwand muss höher sein und zeitgerecht greifen, wenn die öffentliche Investition hoch ist und eine (vielleicht begleitende) Prüfung große Einsparungswirkungen erzielen kann. Umgekehrt darf der Prüfungsaufwand nicht allzu groß sein und jedenfalls nicht schikanös ausfallen, wenn geringe öffentliche Kosten anfallen. Alles andere ist zumindest unwirtschaftlich. Auch dies sollte Teil des Selbstverständnisses des Rechnungshofs sein.
Ich darf Ihnen abschließend ein Negativbeispiel nennen, das allerdings im Bereich der EU (Equal) liegt, nicht im Bereich des Landes Vorarlberg. Der bundesweit tätige Kulturverein IG Kultur Österreich, dessen Obfrau ich bin, betreibt als federführende Organisation ein Equal-Projekt mit einem Finanzvolumen von zwei Millionen Euro. Unser Aufwand für die korrekte Gebarung, deren Regeln uns vorgegeben sind, beträgt rund ein Drittel des Projektvolumens, wobei hier der Prüfungsaufwand des BM für Wirtschaft und Arbeit sowie jener der EU-Kommission naturgemäß nicht mitgerechnet ist. Diese Art der Prüfung hat im Bereich der Kultur mittlerweile einen Namen bekommen: „Kill-trolling“, weil sie Projekte und deren Inhalte umbringt und extrem unwirtschaftlich ist.
Ein genaues Planen bei großen öffentlichen Bauprojekten und – zumindest! – das Erfordernis, haltbare Verträge mit Auftragnehmern abzuschließen, soll aber schon mit Strenge verlangt werden dürfen.
Über eine kurze Reaktion Ihrerseits würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Juliane Alton
Herbert Schmalhardt hat mich wenige Tage später angerufen und in vielen Punkten der Kritik zugestimmt, vor allem was die Projektplanung und -abwicklung betrifft und auch die Forderung der Verhältnismäßigkeit in der Prüfungsarbeit gutgeheißen. Klarstellen wollte er, dass die "Nachvollziehbarkeit" sich auf die Frage der Kostensteigerung bezog, die angesichts der schlechten Planung und des Zeitfaktors im Rahmen des Projekts unabdingbar gewesen sei. Der gesamte Prüfbericht mit allen Kritikpunkten des Rechnungshofs findet sich hier