Kultur in bester Verfassung

Kulturförderung passiert auf allen Ebenen der Staatlichkeit, auf der Weltebene genauso wie auf Gemeindeebene. Die Regeln dafür sind höchst unterschiedlich. Doch haben übergeordnete Kriterien, wie z.B. die verfassungsmäßig garantierten Rechte auch im Rahmen der Kulturförderung Geltung.

Die „Kulturabteilung“ der Vereinten Nationen, die UNESCO, macht zurzeit vor allem mit ihrem Bemühen um den Schutz der kulturellen Vielfalt von sich reden. 2007 agiert sie mit einem Budget von $ 610 Millionen. Zur Aufgabe stellt sie sich: Die Verteidigung des kreativen Vermögens durch den Erhalt seiner Vielfältigkeit mit dem Ziel des friedlichen Zusammenlebens der Völker sowie den Erhalt und die Unterstützung des gemeinsamen kulturellen Erbes der Menschheit (Quelle).

Die Europäische Union sieht Kultur so wie alle anderen Materien unter den Aspekten von Wirtschaft und Wettbewerb: Die Kulturindustrie in der EU (Kino und audiovisueller Bereich, Verlage, Musik und Kunsthandwerk) sei eine wichtige Quelle von Einkommen und Arbeitsplätzen und beschäftige etwa sieben Millionen Menschen. Die Union [...] möchte für vorteilhafte Bedingungen sorgen, damit diese europäische Industrie international wettbewerbsfähig sein kann. Noch eine weitere Entdeckung hat die EU gemacht: „ Kultur und Kreativität, die mit einer sozialen Zielstellung einhergehen, tragen zu einer nachhaltigen Entwicklung und Gesellschaft bei.” (Quelle: The Economy of Culture in Europe – deutsche Zusammenfassung, Oktober 2006) Dies wiederum sei zur Erreichung der Lissabon-Ziele notwendig. Das Kulturbudget der EU zu beziffern ist schwierig, da Förderungen aus unterschiedlichsten Programmen kommen (z.B. auch aus der Arbeitsmarktförderung). Aus dem Förderprogramm Kultur 2007 stehen im laufenden Jahr € 29 Millionen zur Verfügung.

In Österreich ist die Bundeseben zunächst einmal für die Finanzierung der bundes-eigenen Einrichtungen zuständig (Bundestheater und Bundesmuseen). Seit 1970 gibt es jährliche öffentliche Berichte zur darüber hinaus gehenden Kunst- und Kulturförderung, seit 1988 ist diese im Bundeskunstförderungsgesetz geregelt: „Im Bewusstsein der wertvollen Leistungen, die die Kunst erbringt und in Anerkennung ihres Beitrages zur Verbesserung der Lebensqualität hat der Bund die Aufgabe, das künstlerische Schaffen in Österreich und seine Vermittlung zu fördern. [...] Die Förderung hat insbesondere die zeitgenössische Kunst, ihre geistigen Wandlungen und ihre Vielfalt im Geiste von Freiheit und Toleranz zu berücksichtigen. Sie hat danach zu trachten, die Kunst allen Bevölkerungskreisen zugänglich zu machen und die materiellen Voraus-setzungen für die Entwicklung des künstlerischen Lebens in Österreich zu verbessern.“ (§ 1) Die Hauptzuständigkeit für die Kulturförderung haben jedoch die Länder da die Kompetenzartikel der österreichischen Bundesverfassung alles, was nicht ausdrücklich einer anderen Gebietskörperschafte zugeordnet ist, den Ländern zuweist (eine Position, die nicht ganz unumstritten ist). Die Länder übertragen bestimmte Kompetenzen wiederum den Gemeinden. Laut Vorarlberger Kulturfördergesetz von 1974, sind die Gemeinden dazu verpflichtet, das „örtliche bodenständige Brauchtum zu pflegen“. (§ 2 Abs 1) Es ist daher wichtig, dass die Kulturförderung auf Landesebene als zentrale Kompetenz akzeptiert und möglichst gute Rahmenbedingungen geschaffen werden. 1974 war Vorarlberg Vorreiter – eine Position die im Moment eher die Steiermark mit ihrem Kulturfördergesetz vom Mai 2005 inne hat. Das steirische Kulturfördergesetz ist derzeit das aktuellste und wird daher im Folgenden beispielhaft zitiert, auch wenn in den Gesetzen anderer Bundesländer auch spannende Aspekte zu finden wären.

Die Steiermark hat einige Schritte gesetzt, die neu und wegweisend sind. Der Diskussionsprozess, der das neue Gesetz hervorbrachte, wurde über gute zwei Jahre in aller Breite geführt.

Die Steiermark nimmt sich ganz souverän die Kompetenz der Kulturförderung, indem sie ihre Entscheidungen bewusst unabhängig von anderen Gebietskörperschaften fällt. Während es sonst eher üblich ist, dass ein Fördergeber darauf wartet, was ein anderer tut („...legen Sie uns doch erst die Förderentscheidung der Gemeinde/des Bundes ... vor...“, heißt es im steirischen Gesetz: „Das Land Steiermark als Träger von Privatrechten verpflichtet sich, in der Steiermark oder in besonderer Beziehung zur Steiermark ausgeübte kulturelle Tätigkeiten zu fördern. [Dadurch wird] die Förderung der Kultur und der Kunst durch andere öffentliche sowie durch private Förderungsträger nicht berührt.“ (§§ 1,3)

Diese Haltung erspart den Kulturschaffenden eine Reihe von Problemen: die Abhängigkeit vom Goodwill mehrerer möglicher Fördergeber, Verzögerungen durch das Warten auf eine andere Entscheidung, Präjudizwirkungen bezüglich der Förderhöhen (die berühmte Drittelparität)... Die Steiermark schreibt auch die Möglichkeit der mehrjährigen Förderung fest und stellt den Kulturschaffenden ihre Organisationsform frei: „Förderungen können einzelnen oder mehreren Menschen (z. B. Gruppen von Kunstschaffenden) sowie juristischen Personen gewährt werden. Basisförderung wird auch für Vorhaben gewährt, die über jährliche Budgetansätze oder Gesetzgebungsperioden hinausreichen.“ (§ 3 Abs 5,6) Insbesondere Letzteres ist ein mutiger Schritt, dessen rechtliche Umsetzbarkeit oft bezweifelt wurde. In der Praxis gibt es für eine Reihe von Initiativen Dreijahresverträge.

Dass der Schwerpunkt der Förderung „im Bereich der Weiterentwicklung der Gegenwartskunst und der Gegenwartskultur“ (§ 2) gesetzt wird, versteht sich da fast schon von selbst. Von besonderem Interesse ist folgendes Bekenntnis: „Dieses Gesetz verfolgt auch das Ziel, den Gemeinden als Vorbild für deren Kunst und Kulturförderung zu dienen.“ (§ 1).

Positiv überrascht, dass die Verwaltung sich betreffend Entscheidungsfristen selbst Regeln gibt und sich verpflichtet, Ablehnungen schriftlich zu begründen: „Die Ent-scheidung der Landesregierung über die Förderung hat schriftlich zu erfolgen und ist zu begründen, wenn dem Antrag nicht entsprochen wird. Beruht die Ablehnung eines Antrags auf der negativen Begutachtung durch den Förderbeirat oder die Fachexpertinnen/Fachexperten, so ist dessen/deren Begründung beizulegen. Die Entscheidung ist der Förderungswerberin/dem Förderungswerber innerhalb von 14 Wochen ab Einlangen des Antrags mitzuteilen, bei Begutachtung durch den Förderbeirat oder die Fachexpertinnen/Fachexperten spätestens sechs Wochen nach dessen bzw. deren Stellungnahme.“ (§ 5 Abs 7) Mit solchen Regelungen wäre vielen dringenden Wünschen, die Kulturschaffende und Kultureinrichtungen auch in Vorarlberg hegen, zumindest in der Theorie entsprochen, tatsächlich gibt es in der Steiermark zusätzlich das Recht auf ein Hearing im Beirat, wenn dieser ein Förderansuchen abgelehnt hat.

In der Steiermark ist offenbar ein wichtiger demokratischer Grundsatz Leitgedanke bei der Ausarbeitung des Gesetzes gewesen: nämlich jener, dass staatliche Verwaltung immer an die verfassungsrechtlichen Normen gebunden ist, auch im Bereich ihrer Privatwirtschafts-verwaltung.

Die normativen Leitlinien der Förderungsverwaltung („Kulturverfassung“) lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Fiskalgeltung der Grundrechte in der nicht hoheitlichen Verwaltung (Gleichheitsgrundsatz! Gleiches soll gleich behandelt werden, Ungleiches ungleich)
  • Achtung vor der Pluralität der Kultur sowie dem Selbstbestimmungsrecht der Bürger/innen (Einrechnen der Asymmetrie zwischen Förderwerber/in und Staat, kein Politischer Druck über Subventionsvergabe)
  • Informations-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht (Förderverfahren müssen für Subventionswerber/innen vorherbestimmbar und berechenbar sein – die Amtsverschwiegenheit war eine Erfindung Metternichs, heute genügt der gesetzliche Datenschutz)
  • Sachlichkeitsgebot (allgemein nachvollziehbare Begründungen für das behördliche Handeln; der Grund „Budgetknappheit“ kann nicht das eine Mal Grund zur Ablehnung sein, das andere Mal nicht)
  • Achtung des Legalitätsprinzips und Willkürverbotes (der Ermessensspielraum der Behörde ist im Sinn des betreffenden Gesetzes im Rahmen der üblichen Praxis zu nutzen, Abweichungen davon müssen sachlich begründet sein)
  • Achtung des Effizienzgebotes (am besten durch die Rechnungshöfe zu überprüfen).

Weiterführende Literatur:

Tschmuck/Zembylas: Der Staat als kulturfördernde Instanz. 2005.

Studie der EU vom Oktober 2006

Dieser Text ist in der Ausgabe vom März 2007 in der Kultur erschienen.

 
 

 

Aktivität: