Allianzenbildung

Vortrag im Rahmen einer Veranstaltung von Fiftitu% am 3.11.2005 in Linz

Strategien und Allianzenbildung im Kunst- und Kulturbereich

Was ist eine Allianz? Unterschiede zu Interessenvertretungen und Netzwerken, Gemeinsamkeiten

  1. Netzwerk: Ursprünglich ist dies ein Begriff aus der - Kybernetik, der mathematischen Bewegungslehre, später wurde der Netzwerkbegriff auch in die Ethnologie, die Soziologie und die Betriebswirtschaftlehre (Soziales Netzwerk, Netzwerkorganisation) übernommen. - In der Systemtheorie bezeichnet der Begriff "Netzwerk" eine Menge von autonomen Objekten, die miteinander auf definierte Weise verbundenen sind und so ein gesamtes System bilden. Auch in der Politikwissenschaft wird der Netzwerkbegriff verwendet, und zwar im Sinn vom Zusammenwirken privater Akteure (Unternehmen, Interessensgruppen) und öffentlicher Akteure (Regierung, Ministerien etc.) in bestimmten Politikbereichen. Das Ergebnis sind nicht-hierarchische, dezentrale politische Netzwerke. Ein wichtiges Element von Netzwerken ist der Austausch von Ressourcen zwischen den beteiligten Akteuren. (Beispiele: WKO und ÖVP-BZÖ-Regierung tauschen die Ressource Mitarbeiter/innen; IG Kultur Ländervertretung, getauscht werden die Ressourcen Information und Arbeit)
  2. Interessenvertretung: Grundgedanke der Interessenvertretung ist immer die Mitbestimmung, das heißt, Menschen und Unternehmen, die von gesellschaftlichen oder anderen Entscheidungen und Entwicklungen betroffen sind, die Gelegenheit der Mitsprache und darüber hinaus zur Beteiligung an Entscheidungen zu geben. Dies dient dem sozialen Frieden. ‡ So werden wir von Betroffenen zu Beteiligten Da aber nicht alle mit allen zugleich beraten und verhandeln können, ist es in der Regel erforderlich, dass die vertretenen Personen innerhalb der Interessenvertretung die Möglichkeit haben, gemeinschaftlich und demokratisch eine einheitliche Position zu entwickeln, die dann von den Mitgliedern getragen und von den Vertreter/innen nach außen artikuliert wird. Eine Interessenvertretung ist also eine Körperschaft mit eigener Satzung, die Neuzugänge nur zulässt, sofern von diesen die Satzung und die bestehenden Strukturen akzeptiert werden (Mitgliedschaft).
  3. Die Allianz ist demgegenüber ein relativ offener Begriff. Es ist schlicht ein Bund oder ein Bündnis. Der Begriff lässt offen, wer sich zu welchem Zweck für welche Zeitspanne in welcher Weise verbindet. Vielleicht liegt in dieser Freiheit die große Attraktion der Allianz, wobei in dem Begriff möglicherweise die Stärke der Siegermächte des 2. Weltkriegs mitschwingt. Klar ist, dass eine Allianz keine Hierarchie zwischen den Bündnispartner/innen beinhaltet. Die Autonomie der Bündnispartner/innen bleibt gewahrt: das einzig Verbindende ist somit ein gemeinsames Ziel (eventuell mehrere gemeinsame Ziele). Sie können keinerlei Rechtspersönlichkeit haben. Am ehesten sind Allianzen mit Arbeitsgemeinschaften zu vergleichen

Allianzen : wozu sind sie gut? Allianzen sollen natürlich der Stärkung dienen, damit ein Vorhaben realisiert werden kann. Die Art des Vorhabens und die eigene politische Position bestimmen die Wahl der Bündnispartner/innen. Wenn ich jetzt Punkt für Punkt den Nutzen von Allianzen nenne, dann geht es mir weniger um den offensichtlichen Nutzen, sondern um das, was „nebenbei“ mitgenommen werden kann. Häufig sind solche Nebeneffekte aber Bedingung für die Erreichung des offensichtlichen Nutzens.

  1. Aufteilung der Arbeit Wenn Ziele und Arbeitsschritte definiert und geplant sind, können je nach Ressourcen der Bündnispartner/innen Arbeitsschritte und Arbeitsfelder verteilt werden. Dass dies in einer losen Partnerschaft nur im Rahmen eines demokratischen Diskussionsprozesses erfolgen kann, versteht sich von selbst. Es muss Übereinstimmung (Konsens) darüber erzielt werden, Mehrheiten reichen nicht aus. Dieses Kriterium der Übereinstimmung erfordert auch, dass bei der Planung der strategischen Ziele und deren Umsetzung Köpfe zählen und nicht das „Gewicht“ einzelner Bündnispartner mit größeren Ressourcen.
  2. Stärkere öffentliche Präsenz, Kampagnen ermöglichen Teil der Kommunikationsstrategie muss es sein, sowohl das Vorhaben zu vermitteln als auch die Tatsache, dass eine Allianz gebildet wurde. Da ist zunächst die Basisarbeit in den jeweils eigenen Medien notwendig, wo das Anliegen ausführlich für den Mitglieder- und Sympathisant/innenkreis aufbereitet wird. Spezifische Medien eignen sich hierfür viel besser als die allgemeinen, „großen“ Medien. Wenn die Inhalte dort (in den öffentlichen Medien) ankommen, müssen sie in den eigenen Kreisen so stark durchgedrungen sein, dass jede/r sie dort erklären oder zumindest kommentieren kann. Auf dieser Basis wirken Medienberichte nicht als Eintagsfliegen sondern vermitteln Anerkennungswert für die Bündnispartner/innen. Wichtig ist, das Thema im eigenen Feld bekannt zu machen, zu diskutieren, Widersprüche und Probleme aufzuarbeiten. Wenn das Thema die große Öffentlichkeit erreicht, sollte es intern schon weit gehend abgeklärt sein.
  3. Themenspezifische Vernetzung über die Kerngruppen hinaus Vergrößerung der Kerngruppen um völlig andere Gesellschaftsgruppen Nutzung von bestehenden Netzwerken Bewussteinsbildung außerhalb der Kerngruppen Gegnerschaft und Marginalisierung entkommen

Was ist zu tun? Eigene Kerninteressen definieren (dürfen im Rahmen der Allianzenbildung nicht aufgegeben und nicht verwässert werden) Ziel der angestrebten Allianz formulieren (am besten nur ein Ziel), das kann im Lauf der Partnersuche eventuell abgewandelt werden. Mitkämpfer/innen und Partner/innen suchen (in der Nähe) Strategische Partner suchen (die um welche man nicht herumkommt, bzw. die man nicht als Gegner haben will: z.B. ÖGB) Themen begrenzen und nach Wichtigkeit oder Chronologie ordnen Arbeitsmarktinstrumente nutzen Öffentlichkeitsarbeit organisieren Hierarchien klären: gibt es eine Vozeigeperson (Sprecher/in der Allianz), welche Befugnisse hat sie? Oder gibt es Gremien, mehrere Sprecher/innen?

Beispiele: - Kulturrat Österreich: Gründung 1999, Ziel: Künstlersozialversicherungsgesetz - Interessenvertretung, Netzwerk und Wissenschaft: Verwaltungsstandards beim Bund umsetzen - Netzwerk Grundeinkommen – Armutskonferenz – Uni Wien – Kirchen - staatliche Institutionen – autonome Kultureinrichtungen

Gefahren

Wichtiger als Anleitungen zu geben, wie Allianzen gebildet werden können, scheint es mir mögliche Fallstricke aufzuzeigen, die den Keim des Scheiterns schon in sich tragen. Die inhaltliche Verzettelung ist dabei sicher vorrangig. Eine Allianz hat derart verschiedene Partner/innen, dass es unbedingt notwendig ist, einen kleinen Kern an gemeinsamen Anliegen zu definieren. Es genügt auch ein konkretes Anliegen, mehr als drei wären sicher zu viele. Sie müssen in Übereinstimmung formuliert sein und allen so wichtig sein, dass sie bereit sind, ihnen wirkliche Arbeit zu widmen. Gefälligkeitspartner/innen können höchstens als Groupie-Rand mitgedacht werden. Als Teil der Allianz würden sie als Bremsklötze wirken. Hierarchienbildung passiert leicht, oft zunächst unbemerkt und wird dann zum Problem, wenn der Nutzen in konventioneller Form verteilt wird (egal ob Geld, Projekte, Auftrittsmöglichkeiten etc.). Das Ergebnis sind regelmäßig Alpha-Männchen-Strukturen bzw. der Kampf dagegen. Wenn Hierarchie sich jedoch nur über inhaltliche Kompetenz und entsprechende Verantwortung für einzelne Themen manifestiert, hat sie eher keine bösen Folgen. Die Selbstrepräsentanz der einzelnen Bündnispartner/innen ist auch in diesem Zusammenhang absolut notwendig und muss in allen Teilbereichen realisiert werden. Sonst gibt es im nu Aktive und Passive, wobei letztere sich sofort als Opfer instrumentalisiert sehen. Unterschiedliche Denk- und Arbeitskulturen, Generationenkonflikt Vereinnahmung Selbstbeschäftigung / Innenkommunikation / viel Arbeit für nichts Fiftitu%

 
 

 

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